Willingen, 03. Juli 2020 – Upland. Der Name ist Programm. Die Namensgebung, ursprünglich aus dem Niederdeutschen kommend, bezeichnet das Gebiet als Hochland. Das Landschaftsbild einmalig schön. Eine ausgeprägte sanfthügelische Landschaft, ein Indiz für ehemalige vulkanische Aktivitäten, die Anhöhen und Talsenken ausgeprägter als im südhessischen Odenwald, fulminante Weitsichten über die dünn besiedelte Region – ergo beste Rahmenbedingungen für spannende Wanderexkursionen.
Geografisch ist das Upland für nicht mit der Region Vertraute zunächst schwierig zu verorten. Der Naturpark Diemelsee, im nordwestlichsten Zipfel Hessens gelegen, die Gemeinden Diemelsee und Willingen umfassend, Nordrhein-Westfalen touchierend, den nördlichen Osten des Rothaargebirges beinhaltend und irgendwie integrativer Bestandteil des westfälischen Sauerlandes. Weniger Komplex gestaltet sich die Wahl des Wanderweges – der Uplandsteig ist regelrecht prädestiniert diese Region zu entdecken. 66 Kilometer, alle neun Ortsteile von Willingen streifend und lebendige 1.600 Höhenmeter, so die Parameter dieses Qualitätswanderweges. Gestartet wird am tiefsten Punkt des Uplandsteiges, in Bömighausen. Der Grund ist trivial. Hier steigt man ein in den schönsten Abschnitt des Steiges und just zur Hälfte des gesamten Weges kann man in Willingen übernachten. Die ersten fünfzehn Kilometer geht es zudem beständig aufwärts, bis man den höchsten Punkt des Gesamttrail, den höchsten Berg vom Nordrhein-Westfalen erreicht hat. Jedoch die Steigungen sind sehr moderat und man kann sich auf eine aussichtsreiche Genußwanderung einstellen.
Kurz hinter Bömighausen erreicht man den Zipfel des Bömighäuser Badesees, dort wo ein Campingplatz eingerichtet ist. Hinauf zum Grotenberg erreicht man nach vier Kilometern eine Anhöhe oberhalb von Welleringhausen. Von hier aus kann man einen der beeindruckensten Panoramasichten des gesamten Steiges genießen – fürwahr ein mehr gelungener Einstieg.
Vom Grotenberg geht es abwärts, eine Kreisstraße und die Landesgrenze querend. Düdinghausen links liegend lassend kann man wählen, zwischen einer Tal- oder einer Bergvariante. Sinnvollerweise kennt der GPS-Track nur eine einzige Variante, die, die die beste Aussichtsmöglichkeit bietet. So geht es zunächst drei Kilometer durch einen Nordrhein-Westfälischen Waldabschnitt, bevor man, nachdem das Flüsschen Needarrdar überquert ist, den Kahlen Pön erreicht, dort wo eine wunderschöne Hochheidelandschaft anzutreffen ist. Unterwegs trifft man auf den Kirchensteinbruch, einem alten Sandsteinbruch, wo einst Steinmaterial für die Düdinghauser Kirche abgebaut wurde. Hier oben, am Kahlen Pön, befindet sich auch die Diemel / Eder / Fulda / Weser-Wasserscheide. Am Gipfelkreuz des Kahlen Pöns lohnt ein Stop. Zu Füßen liegt Usseln und gegenüber erblickt man die Mühlenkopfschanze von Willingen. Der Uplandsteig führt in westlicher Richtung abwärts Richtung Diemelquelle, dort wo sich Bergvariante und Talvariante wieder vereinen.
Eine Überraschung ist nach dreizehn Tageskilometern angesagt. Nach der Wegebeschreibung des Sauerland-Tourismusverbandes wäre die nächste Einkehrstation am Langenberg bei Kilometer 23 zun erwarten – jedoch der Herr schickt ein Zeichen und just einem Kilometer vor der Diemelquelle zwingt die strategisch bestens gelegene Graf-Stolberg-Hütte zu einer Einkehr. Von hier aus hat man weitreichende Blicke bis hin zur Hohen Rhön und dem Vogelsberg. Studiert man den Verlauf der Landesgrenze, so müßte die bewirtschaftete Hütte selbst in Hessen liegen und der Biergarten in NRW. Dem Gast kann es egal sein. Weiter geht es die Diemelquelle passierend. Durch einen Mischwald wandert man zum Berghang “Schöne Aussicht”, ein weiterer markanter Aussichtspunkt, bevor man dem Steig rund um den Krutenberg folgt. Auch hier kann man immer wieder herrliche Panoramen genießen.
Die Luft wird dünner, die 800 Höhenmetermarke wird geknackt. Moderat schraubt sich der Uplandsteig in die Höhe. Vorbei am Wegekreuz “Toter Mann” geht es hinauf zur Hildfelder Höhe um einmal mehr die Landesgrenze zu überschreiten. Hier im Naturschutzgebiet Alter Hagen wird es sumpfig. Über herrliche Wurzelpfade führt der Weg in das Naturschutzgebiet Neuer Hagen, ein weiteres Highlight dieser Exkursion. Hier oben befindet sich Europas höchstgelegene Hochheide. Besenheide, Zwergsträucher, Blau- und Preiselbeere sowie bizarr geformte Wacholder und Kiefern prägen das Landschaftsbild. Hier vereint sich auch der Uplandsteig mit dem Rothaarsteig. Nicht verpassen sollte man den Bypass hinauf zum 838 hohen Clemensberg, dort wo man seine Blicke über das Sauerland schweifen lassen kann.
Fünf Minuten vom Gipfelkreuz entfernt ist die nächste Jausestation, die bewirtschaftete Hochheidenhütte erreicht. Auch hier sollte man nicht weiterlaufen, sondern Rast machen, inne halten und die Aussicht auf der Außenterasse genießen. Der Rest, die Kür. Über die “Sauheide” erklimmt man den höchsten Berg von NRW, nicht den benachbarten Kahlen Asten wie oftmals geglaubt wird, sondern der 1,3 Meter höhere Langenberg (dazwischen gibt es noch den 30 Zentimeter niedrigeren Hegekopf). Aussichtsslos die Aussicht am Langenberg. So geht es entlang der Landesgrenze abwärts nach Willingen, dem Tagesziel der ersten Etappe.
Obschon die erste Etappe des Uplandsteiges über die höchsten Bergzüge führte, läßt sich das Ganze noch steigern. Schon die Wegebeschreibung hat es in sich. Größere Steigungen und steile Abstsiege auf den ersten fünfzehn Kilometern ab Kilometer Null bei Willingen. Spätestens ab hier lernt man wieso der Steig ein Steig ist. Gegenüber des Willinger Hausberges, dem Ettelsberg geht es zunächst moderat aufwärts in nördlicher Richtung durch einen dichten Fichtenwald. Steil abwärts quert man das enge Tal, wo sich die Itter entlangschlängelt, um auf der Gegenflanke die sagenumwobene Schwalenburg zu erklimmen. Erbaut 800 n.C., einst eine der größten Wallanlagen Europas, mutmaßlich von Franken errichtet. Heute ist nur noch die Ringwallanlage sichtbar. Vor der Ortschaft Schwalefeld führt der Uplandsteig mit mächtigen Ab- und Anstiegen durch das Aartal. Über den Frankenpfad, wo einst Karl der Große mit seinen Mannen durchgezogen sein soll, erreicht man Rattlar, um von hier aus über die Dommelsmühle den Dommel zu erklimmen. An den Dommelhöfen trifft der Uplandsteig auf den Diemelsteig und von hier oben genießt man wieder einmal mehr eine wunderbare Aussicht in das Upland.
Auf den nächsten Kilometern Richtung Hemmighausen verlaufen Upland- und Diemelsteig gemeinsam. Hinter dem Brenschelt verändert sich das Landschaftsbild. Raus aus den Wald, hinein in weitläufige Agrarflächen, die herrliche Fernsichten in die Weiten der Region bis hinüber zum Diemelsee ermöglichen. Den Oelkesberg umrundend geht es zunächst hinab nach Hemmighausen, anschließend steil aufwärts nach Eimelrod. Hier lohnt ein Abstecher in die Ortschaft, denn hier sind zwei Gasthäuser angesiedelt – Zeit für eine Einkehr. Der Rest – ein entspannter Auslauf. Nach fünf weiteren Kilometern ist der Weiler Neerdar erreicht und nach vier zusätzlichen Kilometern der ursprüngliche Ausgangsort der Uplandsteigexkursion Bömighausen.
Bereits 2005 wurde der Uplandsteig als sechster deutscher Wanderweg zertifiziert, und bereits im selben Jahr als drittschönster Wanderweg Deutschlands geadelt. “Route 66” – spektakuläre sechsundsechzig Kilometer, knapp 1.700 Höhenmeter, gespickt mit fulminanten Aussichtsmöglichkeiten. Keine Frage, ob Upland, Sauerland, Naturparkregion Diemelsee – die Region ist für Wanderer schlichtweg ein Traum und beinhaltet alle Facetten für gepflegte aber auch sportlich ambitionierte Touren. Nicht umsonst findet hier in der Region seit drei Jahren die vielleicht beste Extremwanderveranstaltung Deutschlands – die 48 Stunden von Willingen-Diemelsee-Edersee-Korbach statt. Wer es moderater angehen möchte, die Auswahl ist schier erdrückend: Uplandsteig, Diemelsteig, Urwaldsteig, oder Rothaarsteig allsamt beste Möglichkeiten diese wunderbar wanderbare Region zu erkunden.